Hilfe bei Trauma: Oft schwierig zu finden

  • Beitrags-Kategorie:Trauma
  • Beitrag zuletzt geändert am:Juli 30, 2025
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Hilfe finden mit einem Trauma

Schlafstörungen hatte ich schon als Kind. Was natürlich niemand mit Trauma in Verbindung brachte. Wenn es regnete, fiel es mir schwer die Geräusche auf dem Dach auszublenden, ein Phänomen, dass mich heute noch mit Ohrstöpseln schlafen lässt. Und ich fing an mir vor dem Einschlafen Fantasiegeschichten auszudenken, um der Realität zu entfliehen.

Heute weiß ich, dass ich versucht habe auf diese Weise etwas zu bekommen was mir im echten Leben fehlte. Und dass Schlafstörungen ebenso wie Schreckhaftigkeit und Anspannung, zwei alte Bekannte von mir, zu den typischen Anzeichen von Übererregung bei traumatisierten Menschen gehören. Was es außer Symptomen noch schwierig machen kann Hilfe bei Trauma zu finden, erfährst du in diesem Beitrag.

1. Grund: Symptome bleiben unerkannt

Trauma ist nicht gleich Trauma. Häufig bringen wir diesen Begriff nur mit Ereignisse wie Krieg, Naturkatastrophen oder Gewalterfahrungen in Verbindung. Dabei ist ein Trauma höchst individuell. Ob wir traumatisiert werden, hängt unter anderem von unserer körperlichen Verfassung ab. Als Kind sind wir äußeren Erfahrungen wesentlich schutzloser ausgeliefert als im Erwachsenenalter. Aber auch unsere Lebensumstände, die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, sowie die Fähigkeit unseres Nervensystems zur Regulation spielen eine Rolle.

Trauma und Körper: Wenn der Stress kein Ende nimmt

Entsprechend schwierig ist eine Definition von Trauma. Im Kern geht es um ein Ereignis oder sich wiederholende Ereignisse, die unsere individuellen Verarbeitungskapazitäten übersteigen. Der Körper versucht zwar die Situation über den Kampf-oder Flucht-Modus oder die Erstarrung (Totstellreflex) zu lösen, scheitert aber. Die bereitgestellte Stressenergie bleibt im Körper stecken. Die Gefahr ist zwar vorüber, aber diese Information kommt nicht beim Körper an.

Die Folge: Unser vegetatives Nervensystem und unser Körper stehen unter Dauerstress. Traumatisierte Menschen bewegen sich ständig zwischen Übererregung („gleich passiert es“) und totaler Erschöpfung („ich kann nicht mehr“) hin und her. Ihr Körper steckt in der nicht abgeschlossenen Stressreaktion aus der Vergangenheit fest und findet nicht in sein Gleichgewicht zurück.

Achtung Verwechslungsgefahr: Trauma oder nicht?

Leider sind die Symptome, die mit diesen Extremzuständen (Übererregung, totale Erschöpfung) verbunden sind, wenig spezifisch und werden selten auf Anhieb mit Trauma in Verbindung gebracht. Eine Depression kann zum Beispiel mit Erschöpfung und Schlaflosigkeit einhergehen, beides Symptome, die auch in Folge eines Traumas auftreten können. Eine vorschnelle Diagnose oder mangelnde Ursachenforschung verhindern dann möglicherweise die korrekte Einordnung.

Was auch daran liegen kann, dass Traumata häufig Begleiterkrankungen haben, die Ärzte und Psychologen separat betrachten, ohne dabei einen Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Trauma herzustellen. Etwas, was ich aus eigener Erfahrung kenne. Immer wieder erhielt ich Diagnosen, die zwar einen Teil der Symptome erklären konnten, aber eben nicht das Gesamtbild.

Hinweis: Zu den Begleiterkrankungen von Trauma zählen neben depressiven Episoden, Angst- und Panikstörungen, Somatisierungsstörungen (körperliche Beschwerden oder Schmerzen) auch Abhängigkeitserkrankungen (Sucht). Diese müssen im Rahmen der Diagnose vom Trauma abgegrenzt werden.

Ein Grund dafür könnte sein, dass es wenige Symptome gibt, die allein mit einem Trauma in Verbindung gebracht werden. Wie Dissoziation oder Flashbacks. Ich habe erst in der Traumatherapie gelernt, wie diese Zustände heißen und wie sie sich im Körper anfühlen. Was nicht heißt, dass ich vorher nie dissoziiert war oder einen Flashback hatte, aber ich hatten keine Worte dafür.

2. Grund: Fachexperten fehlt Spezialwissen

Mehr als 10 Jahre war ich in psychotherapeutischer Behandlung, ohne jemals mit dem Begriff Trauma konfrontiert zu werden. Und dass, obwohl die Therapeutin meinen familiären Hintergrund im Detail kannte. Am Ende verstand ich zwar meine Probleme besser, meine Symptome aber blieben.

Erst als ich mich mit dem Thema Trauma befasste, stieß ich in der Literatur auf den Hinweis, dass Wissen über Trauma keineswegs zur regulären Ausbildung von Ärzten, Psychologen oder Heilpraktikern gehört. Im besten Fall absolvieren sie eine Weiterbildung, die leider nicht garantiert, dass sie zu Experten werden.

Schnelle Hilfe trotz komplexem Trauma?

Gerade im Fall von komplexen Traumafolgestörungen ist umfassendes Wissen und Erfahrung erforderlich, da sie mit vielfältigen Beeinträchtigungen auch im zwischenmenschlichen Bereich einhergehen. Mit einer Kurzzeittherapie, einer EMDR-Behandlung oder einem Medikament ist es dann nicht getan.

Leider ist unser Gesundheitssystem primär auf kurzfristige Lösungen ausgerichtet, weil es an Zeit und Geld fehlt. Insbesondere in akuten Krisensituationen, in denen schon simples Unverständnis oder eine schroffe Abfertigung das innere Leid Betroffener verstärken können, kann fehlendes Wissen sich negativ auswirken.

Und das, wenn man bedenkt, dass laut dem Projekt psychenet – Hamburger Netz psychische Gesundheit etwa 24 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens eine traumatische Erfahrung machen. Gerade im Kontakt mit Ärzten, Psychologen und anderen Gesundheitsberufen wäre daher mehr Offenheit und Interesse gegenüber dem Thema sowie ein einfühlsamer Umgang mit Betroffenen wünschenswert.

3. Grund: Stigmatisierung psychischer Erkrankungen

Die Nachrichten sind voll mit Berichten über die Folgen der Corona-Pandemie für die menschliche Psyche: Ängste, Depressionen und Isolation haben zugenommen und Menschen weltweit kämpfen täglich mit den Folgen. Doch wie viele Menschen gibt es, mit denen wir über solche Themen sprechen können? Menschen, die keine Berührungsängste im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen haben?

Im Arbeitskontext werden diese Krankheiten entweder vage umschrieben oder gar nicht erst thematisiert, aber auch im Familien- oder Freundeskreis ist es meiner Erfahrung nach schwer zuzugeben, dass man psychisch krank ist. Man landet schnell in einer Schublade, in der keiner von uns stecken möchte.

Ärzte als Ansprechpartner: Verständnis nicht selbstverständlich

Das macht es Betroffenen schwer Ansprechpartner zu finden. Selbst ein Arztbesuch bietet keine Garantie auf Hilfe und Verständnis, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß. Wer einen guten Hausarzt hat, sollte sich glücklich schätzen. Denn er ist oft die erste Anlaufstelle, wenn Symptome auftreten und es um weiterführende Hilfe geht.

Ich hatte mehrfach das Glück Ärzte zu finden, die mich als Mensch wahrgenommen haben ohne mich auf meine Symptome zu reduzieren. Was zum Teil mehr wert war als die verordneten Medikamente. Leider musste ich auch schon negative Erfahrungen machen, wo ich barsch abgefertigt wurde, so dass es mir hinterher schlechter ging.

Laut einer Statistik der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. ist innerhalb eines Jahres etwa jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen, die der zweithäufigste Grund für Fehltage im Beruf ist und sogar zur Frühverrentung führen kann. Eigentlich Anlass genug, um darüber zu sprechen und die Stigmatisierung einzelner zu verhindern.

Heilung bedeutet nicht, dass der Schmerz nie existiert hat. Es bedeutet, dass der Schmerz unser Leben nicht mehr beherrscht.

4. Grund: Scham und erlernte Hilflosigkeit

Als Kind lernen wir Scham wenn wir beim Erkunden unserer Umgebung von unseren Eltern ermahnt werden weil etwas gefährlich ist. Wir schrecken davor zurück, weil wir nicht wie sonst bestärkt sondern gebremst werden, lernen aber gleichzeitig unsere Grenzen kennen. Scham hilft also uns zu schützen. Dafür müssen unsere Eltern uns hinterher beruhigen, damit wir merken, dass wir nichts falsch gemacht haben. Sonst verknüpfen wir die Scham nicht mehr mit der Situation sondern mit uns selbst.

Toxische Scham: Ich bin falsch

Wenn Eltern ihr Kind dagegen grundlos beschimpfen, demütigen oder kritisieren, entsteht toxische Scham, ein Gefühl von Grund auf falsch zu sein. Viele traumatisierte Menschen kennen dieses Gefühl. Es entsteht, weil sie nicht erfahren haben, um ihrer selbst willen geliebt zu werden und sich für minderwertig halten.

Ein Mensch, der überzeugt ist, von Grund auf falsch zu sein, hat es schwer nach Hilfe zu suchen, weil er sich selbst als Problem sieht. Solange ihm nicht bewusst ist, dass sein übergroßes Schamgefühl aus seiner Kindheit herrührt, bleibt er gefangen in den destruktiven Gedanken und Überzeugungen, die mit toxischer Scham verknüpft sind.

Wenn die Vergangenheit die Gegenwart ausbremst

Gefühle wie Ohnmacht und (erlernte) Hilflosigkeit können die negativen Selbstwahrnehmung weiter verstärken. Diese Gefühle entstehen aufgrund der Überforderung, die das Traumas verursacht hat. Werden diese „alten“ Gefühle später erneut ausgelöst, wird der Betroffene zurückversetzt in die Vergangenheit und verliert auch in der Gegenwart seine Handlungsfähigkeit.

Obwohl er Hilfe mit seinem Trauma benötigt, fühlt er sich gelähmt, machtlos und überfordert sein Leben in die Hand zu nehmen. Auch wenn sich die äußeren Umstände inzwischen geändert haben. Ein wahrer Teufelskreis, der Veränderung schwer machen, weil die Zusammenhänge fehlen.

Tipp: Informiere dich über die Symptome, Folgen und Behandlung von Trauma. Je mehr du weißt, desto besser kannst du einschätzen welche Angebot für dich in Frage kommen und gezielt danach suchen.

5. Grund: Wenig Angebote und hohe Hürden

Auch wer beschließt sich Hilfe bei Trauma zu holen, hat es nicht leicht. Gerade wenn die eigenen Symptome auf eine Traumatisierung hindeuten. Der erste Ansprechpartner ist meist der Hausarzt. Obwohl er in der Regel eine Fortbildung zum Thema Psychosomatik besucht hat, kann er nicht mit automatisch gut mit psychischen Problemen umgehen.

Oft wird eine Therapie vorgeschlagen oder an einen Facharzt verwiesen, was Betroffene selten weiterbringt. Trotz Anspruchs auf ein psychologischen Erstgespräch innerhalb von vier Wochen beträgt die aktuelle Wartezeit auf einen Therapieplatz bis zu sechs Monate. Fachärzte sind so überlaufen, dass die Praxen telefonisch kaum erreichbar sind und oft keine neuen Patienten annehmen.

Wer über den Aufenthalt in einer auf Trauma spezialisierten Fachklinik nachdenkt, wird schnell feststellen, dass auch hier das Angebot begrenzt ist. Einen Platz in solch einer Einrichtung zu bekommen, erfordert viel Einsatz. Auch Rehakliniken, die zur Nachsorge von Krankenhausaufenthalten oder bei Gefährdung der Arbeitsfähigkeit zum Tragen kommen, bieten selten spezielle Angebote für traumatisierte Menschen.

Thema Therapie: Was macht Sinn?

Auch das Therapieverfahren spielt eine Rolle. Über die gesetzlichen Krankenkrassen werden nur bestimmte Verfahren bezahlt, die wenig bis gar nicht auf die Behandlung von Traumata ausgelegt sind. Die Chance einen Kassentherapeuten zu finden, der auf Trauma spezialisiert ist, ist daher ähnlich hoch wie ein Sechser im Lotto. Was nicht heißt, dass solche Behandlungsverfahren keinen Sinn machen. Mir haben sie leider wenig geholfen.

Es macht daher Sinn sich Wissen über Traumatherapie-Methoden anzueignen, damit man auf der Suche nach einem Therapieplatz weiß, was wichtig ist. Wie zum Beispiel die Ausbildungsdauer, die generellen Anforderungen und die praktischen Erfahrungen, die für einen Abschluss erforderlich sind.

Leider muss man die Behandlung in der Regel selbst zahlen, da es meist Heilpraktiker für Psychotherapie sind, die sich durch jahrelange Aus- und Weiterbildung auf Traumatherapie spezialisiert haben, ihre Arbeit aber nicht über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können.

Andere Angebote und Akutversorgung

Alternativ kann man versuchen über Online-Angebote zur Selbsthilfe, gemeinnützige Vereine und Beratungsstellen oder eine Selbsthilfegruppe passende Hilfe bei Trauma zu finden. Auch hier gilt: Man braucht Eigeninitiative und einen langen Atem. Selbst wenn die Hürden geringer sind, da geringere oder gar keine Kosten anfallen.

Das Wichtigste zum Schluss: Im Notfall gibt es Krankenhäuser, die auf die Akutversorgung von Betroffenen im Krisenfall spezialisiert sind. Hier kann man sich Tag und Nacht hinwenden, was man unbedingt tun sollte. Gerade wenn man bei der Suche nach Hilfe nicht weiterkommt oder es zu Hause allein nicht mehr schafft.

Hilfe holen lohnt sich

Es gibt viele Hürden auf dem Weg zur Hilfe bei Trauma: Symptome werden falsch gedeutet, die Suche nach einem kompetenten Ansprechpartner gestaltet sich schwierig, es fehlt das Verständnis des eigenen Umfelds, Gefühle aus der Vergangenheit beeinflussen unser Leben in der Gegenwart oder es gibt eine Warteliste bei einer Klinik oder einem Therapeuten. Trotzdem lohnt es sich Hife zu holen.

Warum? Weil Aufgeben keine Option ist. Das, was passiert ist, können wir nicht ändern, aber wir können lernen damit zu leben. Auch wenn es anstrengend, beängstigend, herausfordernd und extram schwierig ist und jede Menge Mut, Ausdauer, Tränen und Selbstmitgefühl kostet.

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