Sich erden: 5 Übungen, die helfen zu entspannen

  • Beitrags-Kategorie:Selbsthilfe / Tipps / Trauma
  • Beitrag zuletzt geändert am:Juli 12, 2025
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Mittwochmorgen, 9:30 Uhr, im Home-Office: Ich habe Kopfschmerzen und klar denken fällt mir schwer. Ausgerechnet heute muss ich etwa Neues machen, etwas wo mir die Routine fehlt. Großartig. Ich spüre, wie mein Stresspegel von Minute zu Minute steigt. Mein innerer Kritiker meldet sich und versucht mir klarzumachen, wie doof und unfähig ich doch eigentlich bin.

Meine Atmung wird flacher, ich rutsche verkrampft auf meine Hocker hin und her, versuche ruhig zu bleiben. Vergeblich. Mein Katastrophengehirn hat längst das Ruder übernommen, triggert den alten Stress, der seit meiner Kindheit in mir schlummert und lässt mein Nervensystem Achterbahn fahren. Ich stecke in einem Teufelskreis aus negativen Gedanken, Unruhe und einem Körper, der denkt es ginge gerade ums nackte Überleben statt um das Editieren von Texten.

Was tun? In solchen Momenten hilft es mir, mich wieder zu erden. Wie sich erden funktioniert und warum es auch dir helfen kann zu entspannen, erfährst du in diesem Beitrag.

Im Kopf statt im Körper

Es gibt Momente, da sind wir in erster Linie in unserem Kopf. Wir denken zu viel, machen uns Sorgen über zukünftige Ereignisse oder hängen in einer sinnlosen Grübelschleife, die uns wieder und wieder mit dem gleichen Problem konfrontiert, ohne je eine Lösung zu präsentieren. Oft stecken wir mit unseren Gedanken auch in der Vergangenheit fest, spielen eine zwischenmenschliche Begegnung oder ein einschneidendes Erlebnis in Gedanken wieder und wieder durch, immer in der Hoffnung nachträglich etwas ändern zu können.

Sich erden: Vom Kopf in den Körper und in den Moment

Unsere Energie sammelt sich im Kopf, der Körper wird ausgeblendet. Sich zu erden bedeutet sich wieder mit seinem Körper und dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. So wie bei einem Elektrogerät eine Verbindung mit dem Erdboden hergestellt wird, um bei Bedarf überschüssige Energie ableiten zu können, kann eine Erdung auch für uns Menschen hilfreich sein, auch wenn sie in diesem Fall anders funktioniert.

Sich zu erden hilft dabei in die Gegenwart zurückzukommen, was meiner Erfahrung nach gerade für Menschen mit Trauma wichtig ist. Zum einen, weil die Vergangenheit mit negativen Erfahrungen und schwierigen Gefühlen verknüpft ist, zum anderen, weil wir gelernt haben uns lieber im Kopf aufzuhalten als in den Körper zu spüren, weil er sich oft nicht sicher anfühlt oder sich das Trauma über körperliche Symptome äußert.

Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment.
Buddha

Wie merkst du, dass du nicht geerdet bist?

Das kann für jeden anders aussehen. Wie es mir dabei geht, habe ich oben beschrieben. Um herauszufinden, wie gut du geerdet bist oder eben auch nicht, kannst du dir folgende Fragen stellen:

  • Kannst du dich gerade gut konzentrieren? Bist du noch voll bei der Sache?
  • Fühlst du dich mehr ruhig und ausgeglichen oder eher nervös?
  • Fällt es dir schwer bestimmte Gedanken loszulassen?
  • Ist dein Puls oder Bludruck erhöht oder hast du Kopfschmerzen?
  • Spürst du eine körperliche Unruhe oder den Drang dich zu bewegen?
  • Fühlst sich dein Kopf voll und schwer an?

Die genannten Fragen dienen sie nur als Anhaltspunkt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn das Erleben von Stress ist höchst individuell und hängt von vielerlei Faktoren ab.

5 Gründe, warum sich zu erden wichtig ist

Ein permanent erhöhter Stresspegel macht krank. So viel wissen wir heute. Doch leider funktioniert Entspannung nicht auf Knopfdruck, auch wenn viele Produkte, Methoden oder Techniken uns das suggerieren wollen. Wir müssen selbst aktiv werden. Sich zu erden ist aus folgenden fünf Gründen wichtig:

Sich selbst wahrnehmen

Statt abgetaucht in Gedanken vor dem Computer oder Fernseher zu sitzen, bietet Erdung dir die Chance über einfache Übungen den Fokus wieder auf dich selbst, deine Bedürfnisse und deine Körperwahrnehmung zu lenken.

Vom Kopf in den Körper kommen

Denken ist eindeutig überbewertet. Denn ohne unseren Körper zu spüren, bleiben wir gefangen in unserem Kopf, der alles daransetzt, uns mit Gedanken über die Vergangenheit oder Zukunft unter Stress zu setzen. Erst wenn wir vom Kopf in den Körper kommen, ist Entspannung möglich.

Entspannen statt anspannen

Zur Ruhe zu kommen kann eine echte Herausforderung sein. Insbesondere für Menschen mit Trauma. Oft fühlt sich Anspannung besser an, weil wir im Kampf-oder-Flucht-Modus feststecken. Sich zu erden kann in solchen Momenten im wahrsten Sinne des Wortes helfen wieder Boden unter die Füße zu bekommen.

Klar denken

Sobald wir spüren, dass wir mit der Erde verbunden sind, sei es über unser Füße oder über unser Körperwahrnehmung, fängt auch unser Geist an sich zu beruhigen. Wir können wieder klarer denken, unsere Umgebung bewusster wahrnehmen und uns konzentrieren.

Gegenwärtig sein

Waren wir eben noch in einem Gedankenstrudel gefangen und vor lauter Stress kaum in der Lage klar zu denken, stellt sich durch Erdung langsam wieder ein Gefühl der Ruhe ein und wir nehmen das wahr was gerade ist, zum Beispiel unseren Sitzplatz oder den Raum um uns herum.

5 Übungen, mit denen du dich erden kannst

Die nachfolgenden Übungen kannst du sowohl zu Hause als auch draußen in der Natur machen. Vielleicht willst du sie am Anfang erst mal in deiner gewohnten Umgebung ausprobieren. Du kannst sie aber auch gut unterwegs nutzen, zum Beispiel wenn du merkst, dass du dich gestresst fühlst und zu sehr im Kopf feststeckst. Zur Not auch auf dem stillen Örtchen.

1. Deinen Körper abklopfen

Diese Übung machst du am besten im Stehen. Such dir einen Ort, wo du genug Platz um dich hast, um dich frei zu bewegen. Beginne dann die Übung, indem du mit der rechten Hand den linken Arm von der Schulter über den Ellenbogen bis zum Handgelenk in kleinen Schritten abklopfst.

Achte darauf nur so fest zu klopfen, wie es sich gut für dich anfühlt. Wenn du beim linken Handgelenk angekommen bist, wechselst du zur linken Hand, die den rechten Arm abklopft. Dann klopfst du im Wechsel beide Arme ab: rechts, links, rechts, links.

Du kannst die Übung auch auf andere Körperteile ausdehnen, z.B. indem du abwechselnd mit der rechten und linken Hand auf deine Brust, deinen Bauch oder deine Oberschenkel klopfst. Oder du klopfst den gesamten Körper ab, angefangen von den Armen über die Brust und den Bauch bis zu den Beinen. Spürst du eine Veränderung in deinem Körper?

Tipp: Wenn du die Übung draußen machst, profitierst du gleich doppelt, denn allein der Aufenthalt in der Natur hat einen beruhigenden Effekt. Wichtig: Such dir einen Platz, wo du ungestört bist und dich sicher fühlst.

2. Mit den Füßen aufstampfen

Eine schnelle und wirksame Methode sich zu erden ist mit den Füßen zu stampfen. Probiere es gleich aus! Stell dich ein wenig breitbeinig hin und hebe einen Fuß, den du stampfend wieder aufsetzt. Dann wiederholst du die Bewegung mit dem anderen Fuß. Anschließend stampfst du immer im Wechsel: rechts, links, rechts, links.

Stell dir vor, wie du beim Stampfen alle möglichen Sorgen und Belastungen in den Boden stampfst. Dann macht die Übung noch mehr Spaß. Unser Gehirn merkt nämlich, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes Boden unter den Füßen haben und der Stress beginnt nachzulassen.

3. Füße spüren

Diese Übung eignet sich ideal für deinen nächsten Spaziergang. Du kannst sie aber jederzeit und überall durchführen, auch zu Hause, denn alles, was du brauchst, hast du dabei. Statt dich weiter im Kopf aufzuhalten, lenkst du deine Aufmerksamkeit auf deine Füßen und nimmst wahr

  • wie sich der Boden unter ihnen anfühlt,
  • wo deine Füße mit dem Boden Kontakt haben,
  • ob es dabei einen Unterschied zwischen links und rechts gibt und
  • ob du im Laufe der Übung eine Veränderung in deiner Wahrnehmung bemerkst.

Tipp: Die Natur eignet sich hervorragend, um diese Übung zu erweitern. Wie fühlt sich ein erdiger Waldweg im Gegensatz zu einem Schotterweg an? Oder eine Wiese? Oder der Sand am Ufer eines Flusses? Nutze diese Unterschiede, um beim Wandern oder Spazierengehen deine Füße zu spüren und dich in Achtsamkeit zu üben.

4. Schlage Wurzeln wie ein Baum

Blick auf einen mit Moos bewachsenen Baum von unten aufwärts im Wald
Moosbewachsener alter Baum: Lass dich von ihm inspirieren

Die Übung funktioniert wie folgt:

  1. Stell dir einen Timer auf 5 bis 10 Minuten.
  2. Such dir einen ruhigen Ort in deiner Wohnung oder draußen in der Natur, wo du in den nächsten zehn Minuten ungestört bist.
  3. Stell dich aufrecht und mit den Füßen etwa hüftbreit auseinander hin und achte darauf, dass du mit deinen Fußsohlen einen festen Kontakt zum Boden hast.
  4. Wenn es sich angenehm anfühlt, schließe deine Augen. Alternativ kannst du die Augen auch offenlassen oder deinen Blick auf einen Gegenstand in deiner näheren Umgebung richten.
  5. Nimm einige tiefe Atemzüge und atme dann ruhig durch die Nase ein und aus.
  6. Gehe mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Füßen und dem Kontakt, den sie mit dem Boden haben.
  7. Beim Ausatmen stellst du dir vor, wie aus deinen Füßen Wurzeln wachsen und dich fest mit dem Boden verbinden.
  8. Beim Einatmen spürst du, wie aus dieser Verbindung frische Energie in deinen Körper fließt. Bei jedem Atemzug fühlst du dich entspannter und klarer im Kopf.
  9. Wiederhole die Schritte sieben und acht, bis dein Timer klingelt.

Tipp: Suche dir einen Baum, der dir gefällt, und mache die Übung dort. Das stärkt deine Naturverbundenheit und steigert den Entspannungseffekt.

5. Gehen statt Grübeln

Deine Gedanken drehen sich im Kreis und du kannst kaum noch klar denken? Dann ist es Zeit für einen Spaziergang draußen an der frischen Luft. Nutze die Gelegenheit, um ganz bewusst auf deine Schritte und deine Füße zu achten. Wie fühlt sich dein linker Fuß beim Aufsetzen an? Wie der Rechte? Sind deine Füße eher angespannt und verkrampft oder leicht und beweglich?

Wichtig ist, bewusst langsam zu laufen. Was, wenn man so richtig unter Stress steht, zu einer echten Herausforderung werden kann. Damit die Übung wirken kann, ist es aber unerlässlich. Du kannst dich während der Übung auch eine Weile auf das Aufsetzen und Abrollen deiner Füße konzentrieren. Durch das Bewusstmachen des Bewegungsablaufs lenkst du deine Aufmerksamkeit automatisch auf die Gegenwart und weg vom Gedankenkarussell in deinem Kopf.

Lieber gut geerdet als ständig im Stress

Sich zu erden mag im ersten Moment merkwürdig klingen. Aber wenn wir uns bewusst machen, dass Stress im Grunde ein anderes Wort für Energie ist, macht es Sinn einen Überschuss wieder loswerden zu wollen.

Oft sind es unsere Gedanken über die Zukunft oder die Vergangenheit, die unseren Kopf blockieren und verhindern, dass wir uns entspannt der Gegenwart widmen.

Wenn wir feststellen, dass wir (mal wieder) im Kopf „festhängen“, können wir uns erden, indem wir uns wieder mit unserem Körper und dem gegenwärtigen Moment verbinden lernen. Das erfordert etwas Übung, erlaubt uns aber langfristig unseren Alltag entspannter zu meistern und ein neues Körperbewusstsein zu entwickeln.

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